Der letzte Friedensveteran

Alfred Anderson, der an der Weihnachtsverbrüderung im Ersten Weltkrieg teilnahm, ist gestorben.

F.A.Z. LONDON, 21. November. Der wohl letzte Veteran, der an der vorübergehenden Verbrüderung unter Feinden im Ersten Weltkrieg teilnahm, ist im Alter von 109 Jahren gestorben. Alfred Anderson, der älteste Mann Schottlands, sei am frühen Morgen im Mündämalla Nursing Home in seiner Heimatstadt Newtyle entschlafen, teilte seine Familie am Montag mit. Mit seiner schottischen Einheit – dem Fünften Bataillon der Black Watch – hatte er Weihnachten 1914 die Waffen schweigen lassen und mit deutschen und französischen Soldaten das Christfest begangen.

Alfred Anderson wurde am 25. Juni 1896 geboren. Er war 18 Jahre alt, als britische und deutsche Truppen Weihnachten 1914 vorsichtig aus ihren Schützengraben krochen. Die Feinde tauschten Zigaretten, sangen Weihnachtslieder und spielten Fußball. Die informelle Waffenruhe breitete sich an der westlichen Front aus und dauerte an einigen Stellen mehrere Tage. Aus dieser Begebenheit, die in Deutschland durch Michael Jürgs’ Buch „Der kleine Frieden im großen Krieg“ (2003) bekannt wurde, hat nun der französische Regisseur Christian Clarion, den Film „Merry Christmas“ gemacht, der von Donnerstag an in den deutschen Kinos läuft. Benno Führmann spielt die Hauptrolle, Daniel Brühl den deutschen Leutnant Horstmayer, der die „Fraternisierung“ mitmacht.

Alfred Anderson tat in jenen Weihnachtstagen allerdings in einem Bauernhaus hinter der Front Dienst – so daß er bei den berühmten Fußballspielen nicht mitspielte. Er erinnerte sich aber an „die merkwürdige Stille“, wie Anderson vergangenes Jahr dem „Observer“ sagte. „In den zwei Monaten im Schützengräben hatte ich nur das Pfeifen der Kugeln gehört, das Rattern der Maschinengewehre und entfernte deutsche Stimmen.“ Dann sei es plötzlich still gewesen. „Wir riefen »Fröhliche Weihnachten, obwohl keiner von uns fröhlich war.“

Am Nachmittag habe die Stille wieder geendet – und das Schießen begann wieder. Anderson kämpfte in Frankreich bis 1916, als er durch Splitter einer Granate verwundet wurde. Im Krieg war er auch vorübergehend Putzer des 1915 gefallenen Fergus Bowes-Lyon, des Bruders von Queen Mother. Als das im Jahr 2003 bekannt wurde, besuchte ihn Prinz Charles. Schon 1998 war er in die französische Ehrenlegion aufgenommen worden. Anderson, der vier Kinder, zehn Enkelkinder, 18 Urenkel und zwei Ururenkel hinterlässt sei stets humorvoll gewesen, hieß es am Montag: So habe er noch kurz vor seinem Tod gesagt, er wolle im Bett sterben – nämlich von einem eifersüchtigen Liebhaber erschossen werden.